Gibt es das perfekte Setup auf der Nordschleife? Ein Gespräch mit Horst Boes

Auf der Professional Motorsport World Expo habe ich im November 2018 einen Vortrag von Horst Boes gesehen. Horst kümmert sich mit seiner Firma Boes Motorsport insbesondere um alles, was mit dem Fahrwerk zusammenhängt. Genau der richtige Mann also, um sich mal über das Thema Setup zu unterhalten.

Horst, verrate unseren Lesern doch bitte etwas über dich und deine Tätigkeit im Motorsport!

Ja, gerne. Meine Leidenschaft für Motorsport und Rennwagen begleitet mich bereits seit über dreißig Jahren. Meine berufliche Ausbildung begann klassisch als Zerspanungsmechaniker. Es folgte eine Weiterbildung als Industriemeister im Bereich „Kunststoff“. Damit konnte ich mir schon sehr frühzeitig fachliches Wissen und das Fertigen von Verbundwerkstoffen wie Kevlar und Kohlenfaser aneignen. Ich war bereits für viele renommierte Unternehmen wie Zakspeed und Toyota Motorsport tätig . Zu den von mir gefertigten Fahrzeugen gehört der weltweit bekannte Porsche GT1 der ersten Generation und der Formel VW. Weil ich recht ehrgeizig bin, habe ich den Abschluss zum Kraftfahrzeugtechniker und -meister gemacht und meinen eigenen Betrieb gegründet. Boes Motorsport ist seit 2007 in Kempenich ansässig – nur wenige Kilometer vom Nürburgring entfernt. Wir kümmern uns gleichermaßen um straßenzugelassene Tracktools und um reinrassige Rennwagen. Ich selbst betreibe seit 1997 mit von mir aufgebauten Rennwagen Motorsport, zuerst nur Salomrennen und später Rallyeveranstaltungen und Rundstreckenrennen. Auch beim legendären 24h-Rennen vom Nürburgring waren wir mehrmals dabei. Durch die Nähe zum Nürburgring ist Boes Motorsport sehr häufig bei Veranstaltungen wie der GLP, RCN und VLN sowie seit vergangenem Jahr auch der Youngtimer Trophy vertreten.

Mit deiner Firma Boes Motorsport habt ihr euch auf den technischen Support für Motorsport-Teams und Trackdaysportler spezialisiert. Habt ihr da eine besondere Paradedisziplin oder macht ihr alles?

In der Vergangenheit haben wir viele Straßenfahrzeuge von Grund auf zu Tracktools oder reinen Rennwagen umgebaut. Das ist häufig sehr zeit- und kostenintensiv. In den letzten Jahren sind wir dazu übergegangen, uns besonders auf die Bereiche „Fahrwerk“, „Bremsen“ und „Reifen“ sowie Einzel-angefertigte Bauteile zu konzentrieren und uns einen großen Erfahrungs- und Wissensstand aufgebaut. In den letzten Jahren konnten wir starke Partner wie KW Suspension und Dunlop gewinnen. Unsere Kunden können bei uns ein Fahrwerkssetup erhalten, mit dem sie auf der Rennstrecke noch schneller und sicherer unterwegs sind – ohne im Alltag nennenswerte Nachteile in Kauf nehmen müssen.

Ich habe deinen Vortrag auf der Professional Motorsport World Expo 2018 zum Thema richtiges Setup auf der Nordschleife gesehen. Da hast du empfohlen, dass man solange intensiv testen soll, bis man sich wohl fühlt. Gilt das auch für Trackday-Fahrer?

Dies gilt sowohl für den Renneinsatz als natürlich auch für die Trackday-Besuche. Je wohler sich der Fahrer mit dem Fahrzeug fühlt und berechenbarer das Fahrverhalten ist, umso schneller und sicherer wird er sich auf der Rennstrecke bewegen und dem reinen Fahren widmen.

Worauf sollten sich Trackday-Fahrer beim Ausarbeiten ihres Setups konzentrieren?

Der Fahrer sollte für sich über das Einsatzgebiet des Fahrzeugs im Klaren sein, so dass dann der Anteil Rennstrecken- zu Straßenbetrieb definierbar ist. Daraufhin sollte er sich mit den verbauten Fahrzeugkomponenten auseinandersetzen. Das erste, größte Potenzial für Verbesserungen beginnt beim Reifen. Er ist das Bindeglied zwischen Fahrzeug und Rennstrecke. Die Produktvielfalt bei Reifen auf dem Markt ist tendenziell recht groß, so dass hier eine fachkundige Beratung empfehlenswert ist. Aber auch nach der Wahl des Reifentyps ist es noch nicht mit dem Thema „Reifen“ getan, denn anschließend sollte ein optimaler Luftdruck bei der Rennstreckennutzung ermittelt werden. Wenn dann alles passt und man über mehrere Runden konstant fahren kann, gilt es im nächsten Schritt sich den Reifenverschleiß zu analysieren, der wiederum Rückschlüsse auf die Fahrwerkskomponenten gibt. Im Fahrwerksbereich bietet der Markt bei den vielen Modellen eine breite Produktpalette. Hier können wir mit einer qualifizierten Beratung unterstützen, die Komponenten verbauen und das Setup abstimmen sowie bei Trackdays von Veranstaltern wie dem Pistenclub  auch vor Ort an der Rennstrecke mit Rat und Tat zur Seite stehen.

Mir ist zudem noch in Erinnerung, dass Sportfahrer und Motorsportler sich für das Ausarbeiten des perfekten Setups von Sektion zu Sektion vorarbeiten sollen. Das stelle ich mir gerade auf der Nordschleife sehr zeitintensiv vor. Zeit, die viele Trackday-Fahrer gar nicht haben, oder?

Du hast absolut Recht. Allein die Nürburgring-Nordschleife hat 73 Kurven und erlaubt keinen Ausrutscher. Daher ist es hier besonders zeitintensiv, den Kurvenverlauf und die Spezialitäten in den einzelnen Sektoren zu kennen. Auch ich habe viele Jahre benötigt, um die Nordschleife aus dem Effeff zu kennen. Man kann das Ganze etwas beschleunigen, indem man sich von einem guten Rennfahrer coachen lässt, mit Datenaufzeichnungen arbeitet und dabei auf die Erfahrungen der Profis zurückgreift.

Nehme ich mir denn da wirklich einen bestimmten Sektor vor – also beispielsweise den Abschnitt T13 bis Hocheichen oder so – und versuche dafür den passenden Luftdruck und die passenden Fahrwerkseinstellungen zu finden, um mich dann dem nächsten Sektor zu widmen? Das perfekte Setup für einen Abschnitt wie dem Hatzenbach dürfte sich vom perfekten Setup für den Abschnitt Kesselchen ja schon unterscheiden. Wie bekommt man den Spagat hin?

Wenn der Fahrer fahrerisch die Strecke im Wesentlichen erlernt hat, dann kann er beginnen, das Setup zu verbessern. Den passenden Luftdruck regelt man dabei natürlich für die ganze Streckendistanz ein. Man merkt recht schnell, in welchen Kurven oder Fahrsituationen Du dem Auto vertraust. Wenn der Fahrer dann über ein gewisses Grundwissen bei der Fahrdynamik verfügt und Aussagen über das Fahrverhalten treffen kann, kann er oder ein Techniker die richtigen Parameter am Setup verändern. Am besten ist es hier mit einer angesprochenen Datenaufzeichnung zu arbeiten, hier gibt es schon für verhältnismäßig kleines Budget gute Geräte. Das Lesen des Reifenbilds unterstützt dabei die Entscheidungen. Es bedarf hier aber eines systematischen Vorgehens. Ein guter Trackday-Service kann dabei wertvolle Tipps geben. Wenn wir bei einer Veranstaltung vor Ort sind, kann jeder Teilnehmer unsere Unterstützung gern in Anspruch nehmen.

Ist „DAS perfekte Setup“ ein Mythos oder gibt es das wirklich? Gerade auf der Nordschleife?

Grundsätzlich gilt: Nichts ist auf Dauer perfekt! Man wird immer versuchen durch neue Technologien, Materialien und Konstruktionen bessere, sprich schnellere Fahrzeuge anbieten zu können. Bei Straßenfahrzeugen, auch einem Porsche 911 GT3 RS, lässt sich im sportlichen Sinne immer etwas verbessern, denn die Hersteller bieten ihren Kunden die maximal mögliche Spreizung zwischen Alltags- und Trackday-Nutzung an. Mit dem richtigen Wissen von Fahrwerkstechnik und dem aktuellen Produktangebot der Fahrwerkshersteller lässt sich dem „perfekten Setup“ aber schon sehr nah kommen.