Die Performance eines Reifens wird nicht nur durch seine Abmessungen, die Fahrbahnbeschaffenheit, die Gummimischung und Konstruktion bestimmt. Maßgeblichen Einfluss auf die Leistungsfähigkeit haben Luftdruck und Reifentemperatur. Auf der Rennstrecke sollten Sportfahrer also immer die Reifendrücke und Temperaturen im Blick haben, um das Optimum aus ihren Reifen herauszuholen.
Welchen Einfluss Reifendruck und -temperatur haben, bringt Nicolas Krast, Test Manager Michelin Europe North, auf den Punkt. „Um das maximale Grip-Niveau eines Reifens zu erreichen, muss das richtige Temperaturfenster getroffen werden, in dem das Gummi weich genug ist, um sich optimal zu verzahnen, aber gleichzeitig hart genug bleibt, um nicht zu sehr zu walken“, erklärt Nicolas Krast. „Um diese Temperatur zu erreichen und zu halten, spielt der Reifenfülldruck eine große Rolle.“ Denn er beeinflusst maßgeblich die Reifentemperatur. Und nicht nur die: Auch die richtige Verteilung der Temperatur über die Reifenbreite lässt sich über den Luftdruck weitgehend einregeln: Der Reifenfülldruck hat auch direkten Einfluss auf die Größe und Form der Aufstandsfläche, den Verschleiß und nicht zuletzt eben den Grip.
Die Temperatur eines Reifens hängt nicht nur vom Reifendruck ab, sondern ergibt sich aus dem Zusammenspiel mehrerer physikalischer Effekte. Sie hängt auch ganz wesentlich von der Energie ab, die durch die zu übertragenen Kräfte eingebracht wird. Und natürlich spielen auch die Asphalt- und Außentemperatur eine Rolle.
Zu geringer und zu hoher Luftdruck
Ein zu hoher Luftdruck verkleinert die Reifen-Aufstandsfläche. Das führt zu einer erhöhten Temperatur in der Mitte des Reifens. Ein niedriger Luftdruck bedeutet allgemein auch mehr Aufstandsfläche und somit auch einen höheren Grip. Doch Vorsicht: „Zu geringer Luftdruck lässt die Verformungen vom Reifen zu groß werden, was der Reifenstruktur, etwa Karkasse und Profil schaden kann“, warnt Jens Kratschmar, Michelin-Pressesprecher. „Die Temperatur steigt durch diese großen Verformungen weiter und die Betriebstemperatur vom Reifen wird überschritten. Der Reifen funktioniert nicht mehr richtig und wird zu schnell verschlissen.“ Außerdem liegt das Fahrzeug bei zu niedrigem Reifendruck nur auf der äußeren und inneren Reifenflanke auf. Das führt natürlich zu einer Temperaturerhöhung und einem höheren Verschleiss, gegebenenfalls sogar zu inneren Beschädigungen in diesen Bereichen.
Das optimale Temperaturfenster
Um den optimalen Arbeitsbereich eines Reifens zu bestimmen, wird die Querbeschleunigung über der Temperatur bertrachtet (siehe Diagramm unten). In Bezug auf eine bestimmte Querbeschleunigung ergeben sich zwei Schnittpunkte mit der Kurve der Reifencharakteristik (rot). Der Bereich zwischen den beiden Schnittpunkten beschreibt den Temperaturbereich, in dem der Reifen betrieben werden sollte. Liegt die Temperatur des Reifens außerhalb dieses Bereichs ist sie zu niedrig oder zu hoch, was dazu führt, dass weniger Grip oder eine geringere Querbeschleunigung realisiert werden kann. In unserem Beispiel liegt das ideale Temperaturfenster in etwa zwischen 61,5 °C und 76°C.
Bei den meisten Reifen (auch im Motorsport) liegt das optimale Temperaturfenster übrigens bei etwa 70 bis 90°C. Wir sprechen hier von der inneren Temperatur der Lauffläche und nicht der Oberflächentemperatur, die deutlich mehr schwankt.
Mit dem richtigen Luftdruck ins optimale Temperaturfenster
Auf der Rennstrecke sollte also immer das Ziel sein, den Reifendruck so einzustellen, dass die Reifen im optimalen Temperaturfenster arbeiten. Das bedeutet für gewöhnlich auch, dass durch den richtigen Luftdruck im kalten Reifen der optimale Druck im warmen Reifen eingestellt wird. Denn durch den Betrieb und durch die Reibung auf der Rennstrecke erwärmen sich die Reifen, was auch zu einem Anstieg des Luftdrucks führt. Erfahrene Sportfahrer wissen meistens ziemlich genau, welchen Kaltluftdruck sie einstellen müssen, wenn sie einen bestimmten Luftdruck im warmen Reifen erreichen wollen.
Mit dem richtigen Luftdruck die optimale Verteilung der Reifentemperatur einstellen
In Bezug auf die Reifentemperatur muss das Ziel lauten, eine relativ gleichmäßige Temperatur über die gesamte Breite jedes Reifens zu erreichen, wobei die Innenkante normalerweise immer etwas heißer ist als die Außenseite. Wie wir bereits wissen, lässt sich die richtige Verteilung der Reifentemperatur über den Luftdruck einregeln.
Reifendruck und Temperatur messen
Wer die Reifendrücke und -temperaturen – bestenfalls zusammen mit Asphalt- und Lufttemperatur – nach jedem Stint auf der Rennstrecke misst, notiert und auswertet, hat schnell einen guten Überblick darüber, wie Reifen und Setup funktionieren und wo nachjustiert werden muss, um die beste Performance aus den Reifen herauszuholen. Bei Trackdays immer dabei sein sollten ein vernünftiger Luftdruckprüfer und ein Thermometer. Besonders hilfreich sind natürlich Systeme, die einem die Arbeit nahezu komplett abnehmen. Wie zum Beispiel mit „Michelin Track Connect“, eine digitale Anwendung, die über im Reifen integrierte Sensoren in Echtzeit Temperatur- und Luftdruckdaten sammelt und sie dem Fahrer inklusive abgeleiteter Reifendruckempfehlungen auf dessen Smartphone anzeigt. Ein solches System ist auch deshalb empfehlenswert, weil es Daten in Echtzeit misst und dem Fahrer bereits direkt im Cockpit mitteilt. Denn nicht selten sind die Reifen vom Verlassen der Rennstrecke bis zur Messung wieder so weit abgekühlt, dass Messungen ungenau und weniger aussagekräftig werden. Zusätzlich erlaubt das System, eine zuverlässige Temperaturmessung, die weniger von der schwankenden Oberflächentemperatur beeinflusst ist.
Temperaturverteilung über der Lauffläche messen
Die Temperatur wird an jedem Reifen an drei Stellen über der gesamten Lauffläche gemessen: In der Mitte, sowie am äußeren und inneren Drittel der Lauffläche. Am besten mit einem Thermometer, das mit einer Messsonde ausgestattet ist, mit der man die Temperatur etwas tiefer im Gummi messen kann.
Geprüft werden sollten die Temperatursprünge von innen zur Mitte und von der Mitte nach außen. Der Temperaturbereich von außen nach innen sollte – je nach Rennstrecke – in etwa zwischen 10 und 15 Grad liegen. Dabei sollten die Temperaturunterschiede von innen zur Mitte und von der Mitte nach außen ähnlich hoch sein. Eine entsprechend homogene Temperaturverteilung lässt auf den passenden Luftdruck schließen.
In unserem Beispiel ist der Temperaturunterschied zwischen Innen-Mitte (60° – 55° = 5°) und Mitte-Außen (55° – 40° = 15°) relativ groß. Das lässt auf einen zu bauchigen Reifen schließen, was dazu führt, dass die Außenseite des Reifens nicht ganz auf Temperatur kommt. Deshalb sollte etwas Luft abgelassen werden, sodass die Aufstandsfläche etwas breiter wird.
Reifen warmfahren
Nach so viel Theorie soll es jetzt endlich auf die Strecke gehen. Doch wie sollte man eigentlich seine Reifen auf Temperatur bringen? Nicolas Krast schildert, worauf Sportfahrer achten müssen: „Den Reifen zu Beginn schonend warmfahren, dabei nicht rutschen und den Reifenfülldruck nicht zu tief ansetzen. Es kommt dabei auf das Zusammenspiel der Temperaturen von Reifen und Oberfläche an, darauf, den Reifen wirklich schonend auf Temperatur zu bringen und vor allem komplett durchzuwärmen, bevor man auf Zeitenjagd geht. Hier spielt die Wahl des richtigen Druckes eine sehr wichtige Rolle. Zu hoher Druck bei niedrigen Temperaturen lässt den Reifen unter Umständen nicht komplett durchwärmen, während ein zu niedriger Druck in der gleichen Situation den Reifen eventuell immer wieder zu stark überheizen lässt und so schneller graint“.
Mit dem Luftdruck Übersteuern und Untersteuern beeinflussen
Der Luftdruck kann in Maßen auch zur Feinabstimmung des Handlings genutzt werden. Übersteuern kann mit niedrigerem Luftdruck auf der Hinterachse reduziert werden. Mit einem höheren Luftdruck auf der Hinterachse kann die Übersteuertendenz weiter erhöht werden. Untersteuern kann durch einen niedrigeren Luftdruck auf der Vorderachse reduziert werden. Durch einen höheren Luftdruck auf der Vorderachse kann Untersteuern verstärkt werden.